Bei der Beerdigung meines Großvaters gab mir ein Fremder einen Zettel. Als ich ihn las, brach ich in Lachen aus—Großvater hatte uns alle getäuscht! Sein letztes Geheimnis war das unerwartetste.

Ich konnte die Kälte in der Luft spüren, so frisch wie der erste Bissen in einen Apfel. Tausendfünfhundert Euro. Das war alles, was Oma uns in ihrem Testament hinterlassen hatte, und der Zorn war förmlich greifbar. Aber ich? Ich war nicht wütend. Ich… fühlte einfach nichts.

Oma war immer da. Sie verurteilte mich nicht, kümmerte sich nicht um meine Fehler. Sie sah mich, wirklich. Wenn niemand anderes es tat, war sie diejenige, die mir ihre Tür öffnete.

Ich sah zu, wie ihr Sarg in die Erde gesenkt wurde. Die Blumen um sie herum waren ein Meer aus Pastelltönen, aber ich hatte eine leuchtend rote Rose mitgebracht—einfach, lebendig, genau wie sie.

«Tausendfünfhundert Euro,» murmelte meine Cousine Anna hinter mir. «Tausendfünfhundert Euro? Nach all ihren Versprechungen? Das ist lächerlich.»

«Sie war immer die Egoistische,» grummelte Onkel Klaus. «Hat sie nicht gewusst, dass wir mehr gebraucht hätten?»

Meine Mutter schüttelte den Kopf. «Natürlich hat sie mir nichts hinterlassen. Ich war nie ihre Favoritin. Aber du, Clara, du warst ihre kleine Prinzessin, oder?»

Ich drehte mich zu ihr. «Ich habe das Gleiche bekommen wie du.»

«Komm schon,» insistierte meine Mutter, drückte ihre Hand auf meinen Rücken. «Du hast doch sicher etwas mehr bekommen. Du hast doch so viel Zeit mit ihr verbracht. Was hat sie dir hinterlassen?»

Erinnerungen an Oma fluteten meinen Kopf—ihr Lavendelduft und wie sie mir jedes Jahr zum Geburtstag selbstgestrickte Schals schenkte. Wie sie mir Geschichten von geheimen Gärten und verborgenen Orten erzählte.

«Sie hat mir… ihre Liebe hinterlassen,» sagte ich leise. «Ihre Zeit. Ihr Herz.»

«Das reicht nicht!» schnappte meine Mutter, ihre Stimme angespannt. «Da muss mehr sein!»

Ich schüttelte den Kopf. Mir war das Geld egal. Oma hatte mir so viel mehr gegeben. Aber sie konnten es nicht sehen.

«Clara weiß etwas,» flüsterte Anna, warf mir einen misstrauischen Blick zu.

Ihre Stimmen vermischten sich in einem Strudel aus Anschuldigungen, Forderungen. Aber ich hatte nichts zu geben. Nichts, was sie wollten.

Schließlich gingen sie vom Grab weg, wie Geier, mit hungrigen Blicken, die nach etwas suchten, das sie nie bekommen würden.

«Du musst Clara sein.»

Ich drehte mich um und sah eine alte Dame, deren Augen freundlich waren, ihr silbernes Haar ordentlich unter einem Schal verborgen. Sie hatte ein sanftes Lächeln, eines, das mir das Gefühl gab, ein Geheimnis zu teilen.

«Deine Oma bat mich, dir dies zu übergeben,» sagte sie, ihre Stimme ruhig und geheimnisvoll.

Bevor ich etwas sagen konnte, schob sie mir einen kleinen Umschlag in die Hand und flüsterte: «Erzähle niemandem davon.»

Und dann war sie verschwunden, aufgelöst in der Menge.

Ich öffnete den Umschlag und fand einen Schlüssel und eine Notiz, in der Omas vertraute Handschrift stand:

«Schließfach 59 – Hauptbahnhof.»

Mein Herz setzte einen Schlag aus. Oma hatte immer von verborgenen Schätzen gesprochen, aber ich hatte nie geglaubt, dass sie es ernst meinte. Ein Gefühl von Angst und Aufregung überkam mich.

In der Nacht legte ich den Schlüssel unter mein Kissen, hörte ihre Stimme in meinem Kopf, voll von Mysterium und Spaß: «Such den Schatz, Clara.»

Am nächsten Morgen konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich sprang aus dem Bett, rief ein Taxi und fuhr zum Hauptbahnhof, mein Magen voller Nervosität.

Der Bahnhof war belebt, die Luft voller Kaffeeduft und Geräusche aus der Stadt. Ich fand die Schließfächer schnell. Meine Hände zitterten, als ich den Schlüssel in Schließfach 59 steckte.

Es klickte.

Drinnen lag eine abgenutzte Lederhandtasche, schwer. Ich zog sie heraus.

Sie war voll mit Geld.

Ich blieb wie erstarrt. Hunderter-Bündel. Meine Hände zitterten, als ich zählte, mein Herz raste. Es waren mindestens 50.000 Euro.

Aber es gab auch eine andere Notiz:

«Für meine liebe Clara, nimm dieses Geld und lebe das Leben, das du verdienst. Ich habe immer an dich geglaubt, auch wenn sonst niemand es tat. Geh. Sei frei.»

Tränen stiegen mir in die Augen. Es war nicht nur Geld. Es war Freiheit. Die Flucht, von der ich immer geträumt hatte.

Ich schloss die Tasche, warf sie über die Schulter und ging aus dem Bahnhof. Die Sonne ging auf und tauchte alles in goldenes Licht. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich… leicht.

Ich stieg in ein Taxi, ein Lächeln auf den Lippen, die Möglichkeiten des Lebens vor mir.

Als das Taxi vor meinem Haus hielt, zögerte ich nicht. Ich buchte ein Flugticket für irgendwohin und sagte dem Fahrer: «Fahr mich zum Flughafen.»

Und damit war ich frei. 😎✈️

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